1. November (Freitag)

In der Nacht zum 1. November läuft das III. Geschwader (mit den fünf Schiffen „König“, „Markgraf“, „Bayern“, „Großer Kürfürst“ und „Kronprinz“) mit über 5000 Mann Besatzung im Kieler Hafen ein. Während der Fahrt werden 47 Matrosen von der „Markgraf“ als sogenannte „Haupträdelsführer“ der Meuterei festgenommen. In Kiel werden die Festgenommenen in verschiedene Haftanstalten der Marine überstellt. Geschwaderchef Kraft erstattet dem Gouvernement in Kiel Bericht und bittet um Unterstützung bei Disziplinarverfahren. Den übrigen Mannschaften wolle man großzügigen Urlaub geben. Der Kieler Gouverneur, Admiral Suchon, ist strikt gegen das Einlaufen des Geschwaders. Kiel ist zu diesem Zeitpunkt von Truppen und Rüstungsarbeitern überfüllt. Deshalb stimmt das Gouvernement nur widerwillig zu: Man sieht in der Anwesenheit des Geschwaders eine potentielle Gefahr. Kraft überzeugt Suchon letztlich von der Notwendigkeit des Landurlaubes. Die Matrosen könnten an Land, so Kraft, viel besser überwacht werden. Dies geschieht auch, um eventuelle Unruhen zu verhindern. Etwa 250 Matrosen nutzen den Landurlaub und versammeln sich im Gewerkschaftshaus in der Fehrstraße (heute Legienstraße), um ihre Lage zu beraten. Sie fürchten sich vor einem weiteren Auslaufbefehl und besprechen eventuelle Gegenmaßnahmen. Außerdem beschließt man, die Forderung nach Freilassung der Inhaftierten zu erheben. Bereits am folgenden Tag soll eine weitere Versammlung stattfinden. Hintergrund: Als Reichskriegshafen stand Kiel unter Kriegsrecht. Kiel unterstand damals dem Vizeadmiral Souchon, der im Statsionsgebäude in der Lornsenstraße residierte. Souchon wurde erst am 28. Oktober 1918 nach Kiel versetzt. Seine Unkenntnis der Kieler Verhältnisse hat dazu beigetragen, den Widerstand gegen die revolutionäre Prozesse zu schwächen. Karl Artelt: "Am 1. und 2. November 1918 fanden Besprechungen einzelner Marineangehöriger statt, in denen über das Schicksal der Inhaftierten, internierten Kameraden von den Schiffen, die sich geweigert hatten, herauszufahren, diskutiert wurde. Es bestand nämlich das Gerücht, dass diese Kameraden das gleiche Schicksal der Kameraden von 1917 teilen sollten, also dass sie jedenfalls erschossen würden." (Antwort Karl Artels vom 17. Januar 1927 an den 4. Untersuchungsausschuss, in:  WUA, S. 579) Hintergrund: Am 2. August 1917 kamm es in Wilhelmshaven zur ersten großen Dienstverweigerung von Matrosen. 49 von Ihnen verließen das Linienschiff "Prinzregent Luitpold" und gingen an Land. Auslöser dieser Befehlsverweigerung soll ein nicht erteilter Landurlaub gewesen sein. Nach ihrer Rückkehr wurden 11 Matrosen verhaftet und an Land gebracht. Noch in der selben Nacht trafen sich mehrere Matrosen - unter ihnen Albin Köbis, um darüber zu beraten, wie den Verhafteten geholfen werden könne. In einem Protestmarsch am folgenden Tag demonstrierten 400 Matrosen an Land. Auf einer Kundgebung forderte Albin Köbis die Beendigung des Krieges. Danach gingen die Matrosen wieder auf die "Prinzregent Luitpold". Es kam darauf hin zu Verhaftungen, in dem folgenden Prozess wurden 5 Matrosen zum Tod verurteilt, einige zu hohen Haftstrafen. Letzlich wurden zwei Matrosen (Max Reichenpietsch, Albin Köbis) am 5. September 1917 durch Erschiessen hingerichtet, die Strafe der anderen drei zum Tode verurteilten wurde in lebenslange Haft umgewandelt.