6. November

Allgemein entschärft sich die Situation in Kiel. Die Straßenbahn verkehrt wieder. Gustav Noske erreicht am Vormittag in Berlin eine Amnestie für die Aufständischen in Kiel und den Verzicht auf Gewaltanwendung. Die Revoltierenden lehnen das Angebot der Regierung allerdings ab. Inzwischen versucht die Admiralität, die Revolution auf Kiel zu beschränken. Kiel soll durch Marinestreitkräfte von See und von Land abgesperrt werden. Die Bahnlinie nach Neumünster wird stillgelegt, damit die Botschaft von der Revolte in Kiel nicht weiter verbreitet werden kann. Die Absperrung Kiels misslingt aus Personalmangel. Die Botschaft von der Revolution wird per Schiff und auf dem Landweg nach außen getragen. Schon am 5. November erreicht die Revolution Lübeck. Am 6. November wird unter der Führung von Kieler Matrosen das Hamburger Gewerkschaftshaus besetzt. Die in Bremen einsitzenden Gefangenen aus Wilhelmshaven werden befreit. Am 7. November erreicht die Revolution Braunschweig und Köln. Dokumente: Gustav Noske: „Wichtigste Aufgabe erschien mir, die Bewaffneten von der Straße zu bringen. Ich konnte auf Grund der mir aus Berlin zuteil gewordenen Informationen annehmen, dass die Erhebung auf Kiel beschränkt sei. War das der Fall, musste der Versuch gemacht werden, sobald wie möglich wieder zu einem ordnungsgemäßen Zustand zurückzugelangen. Dafür galt es die Stimmung vorzubereiten und dann die Gedanken dazu überzuleiten, unter welchen etwaigen Voraussetzungen der Kieler Meuterei, die ich persönlich auf das schärfste verurteilte, ein Ende zu machen.“ (Noske, Berlin 1920, S. 22 f.) Lothar Popp: „In einer am 6. November stattgefundenen Vertrauensmännersitzung gab Abgeordneter Noske die Bedingungen der Regierung bekannt: 1. Straffreiheit für alle an der jetzigen Bewegung Beteiligten
2. Amnestie für die wegen der vorjährigen Bewegung in der Flotte verurteilten
3. Beschleunigte Herbeiführung des Waffenstillstandes
4. Beschleunigung der Abdankungsfrage
5. Weitere Reformen und Demokratisierung des Staates

Noske gab zu bedenken, dass die Bewegung zwar in Kiel gesiegt habe, dass aber, da sie isoliert sei, ihr doch größere Gefahren drohen, und zwar in Bezug auf die Zufuhr von Lebensmitteln und in Bezug auf die Geldfrage, denn wenn Berlin kein Geld mehr sende, sei die Bewegung nicht mehr zu halten. Der Vorsitzende des Arbeiterrates Garbe und ich führten aus, dass wir doch noch Zeit haben zu warten. Ich betonte, dass unsere historische Aufgabe sei, die Hochhaltung unserer Bewegung zu versuchen, die Ausbreitung derselben herbeizuführen. Nicht die Regierung hat die Bedingungen zu stellen, sondern wir. Es wurde dann einstimmig beschlossen, das Angebot abzulehnen.
Schon wenige Stunden später zeigte sich, wie richtig gehandelt es war, das Angebot der Regierung abzulehnen. Da kamen telefonisch Meldungen über Meldungen, Rendsburg, Lübeck, Schleswig, Schwerin, Cuxhaven, Brunsbüttel, überall meldeten sich Soldaten- und Arbeiterräte. Endlich spät in der Nacht erhielten wir die Meldung, über Hamburg weht die rote Fahne. Nun war natürlich Jubel, denn jetzt konnte kein Zweifel mehr sein, dass unsere Zuversicht auf den Sieg der Revolution uns nicht betrogen hatte.“ (Lothar Popp, Kiel 1918, S. III 25)