Würdiges Gedenken?

Kiel, KN 07.04.09 - Es gibt nur wenige Zeugnisse jüdischer Geschichte in Kiel.

Es gibt nur wenige Zeugnisse jüdischer Geschichte in Kiel. Bei einem Stadtrundgang der Werkstatt Utopie & Gedächtnis machte Uli Schippels (46) auf sie aufmerksam. Nicht alle Gedenkstätten wurden dabei in einem begrüßenswerten Zustand vorgefunden.

Eine der ersten Stationen auf den Spuren jüdischer Geschichte in Kiel war die ehemalige Synagoge in der Haßstraße, die 1869 eingeweiht worden war. "Diese war die erste Synagoge in Kiel, die in einem Wohnhaus eingerichtet wurde und erst die zweite Synagoge in Kiel überhaupt", erläuterte Uli Schippels (46), Mitarbeiter der Rosa- Luxemburg-Stiftung und Leiter des Stadtrundgangs. Die Synagoge diente nicht nur dem Abhalten von Gottesdiensten, sie war auch eine Art kulturelles Zentrum mit Unterrichtsräumen. Wegen Baufälligkeit wurde sie 1908 bereits wieder geschlossen. Das Gebäude ist heute noch zu sehen, allerdings erinnert außer einer kleinen Gedenktafel nichts an seine einstige Verwendung. Die Kieler Brauerei, die direkt neben der ehemaligen Synagoge liegt, hat die Räume von der Stadt gepachtet. "Wir nutzen den Platz als Lagerfläche", sagte auf Anfrage Roman Adam, Angestellter der Kieler Brauerei. "Das kann es irgendwie nicht gewesen sein", bedauerte Schippels.

Eine weitere Station der Stadtwanderung rief unter den Teilnehmern starke Kritik hervor: Am kleinen Kuhberg erinnert ein Gedenkstein an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Drumherum: Einzelne Grasbüschel, Steine, Zigarettenkippen und Müll. "Man muss sich ja freuen, das 2005 dieser Gedenkstein aufgestellt wurde", sagte Schippels, "aber nichtsdestotrotz wäre es doch wünschenswert, wenn das Beet etwas anders gestaltet würde."  Mehr noch als die sichtbaren Erinnerungen an das Schicksal jüdischer Menschen in Kiel zur Zeit des Nationalsozialismus interessierten die Teilnehmer der Stadtwanderung die Geschichten einzelner Menschen. So lauschten sie betroffen, als das Schicksal des ersten jüdischen Opfers des Faschismus in Kiel, Rechtsanwalt Wilhelm Spiegel, geschildert wurde. Dieser war SPDStadtverordneter und stellvertretender Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Kiel.

"Als Anwalt führte Spiegel viele Prozesse gegen die Nationalsozialisten. Damit hat er sich Feinde gemacht", erzählte Uli Schippels. In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1933 wurde Spiegel in seinem Haus im Forstweg ermordet, einige seiner Mörder trugen laut Augenzeugen SA-Uniformen. "Die Sozialdemokraten druckten noch in derselben Nacht Flugblätter. Das wiederum nahmen die Nazis zum Vorwand, am Tag danach das Gewerkschaftshaus zu besetzen", schilderte Schippels die Folgen. An Wilhelm Spiegel erinnert heute noch ein Gemälde im Alten Rathaus, wo auch eine Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus eingerichtet ist. Der Stadtrundgang endete in der Goethestraße, wo seit 1989 ein Mahnmal an die Reichspogromnacht erinnert. "An dieser Stelle stand die 1910 fertiggestellte Synagoge, die am 9. November 1938 völlig verwüstet und anschließend für immer geschlossen wurde", erklärte Schippels. Im Anschluss an den Rundgang folgten viele Teilnehmer gemeinsam mit Uli Schippels der Einladung, auch das heutige jüdische Leben in Kiel kennenzulernen: In der Synagoge in der Jahnstraße gewährte Walter Pannbacker interessante Einblicke in das Gemeindeleben.