"Overcoming Inequality through education" - Bildungsfetischismus als Systemideologie

Am 10. und 11. September findet im Plöner Schloss das zweite „global economic symposium“ statt.

Das jährlich stattfindende Global Economic Symposium wird mit Unterstützung der Fielmann AG, der Wintershall AG und der Fielmann Akademie Schloss Plön gemeinsam vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) und dem Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein veranstaltet. Schirmherr des Symposiums im September ist José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission. In der Selbstdarstellung beanspruchen die OrganisatorInnen, dass sich auf der Tagung  „weltweit führende Köpfe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit zentralen Menschheitsfragen befassen. Weit über 300 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft werden erwartet.“ Diese „hochrangigen Vertreter“ sind unmittelbar beteiligt an der Situation der Welt, wie sie sich heute darstellt: „Armut und Hunger, Krieg und Zerstörung, ökologische Katastrophen und Klimawandel. Gemeinsam mit der GES-Koordination, die Aufklärungsarbeit über diesen temporären neoliberal geprägten Think Tank leistet, veranstaltet die Rosa Luxemburg Stiftung Schleswig-Holstein: werkstatt utopie & gedächtnis e.V. Veranstaltungen zu unterschiedlichen Themen. Am 29. Juli diskutieren wir über Bildungsfetischismus als Systemideologie.
Das GES hat - natürlich - das Thema Bildung als Wirtschaftsfaktor auf seine Agenda gesetzt. Der einleitende Text dazu suggeriert einen Zusammenhang von weltweit ungleicher Verteilung der "Ressourcen" (also Kapital) und ungleicher "Qualifikation". Es wird gefragt, wie die Einsicht, dass eine individuelle "Investition" in Bildung zum eigenen Vorteil diene, auf ganze Volkswirtschaften übertragen werden könne. Hier bekommen die geläufigen Phrasen des arbeitspolitischen Hartz4 Ansatzes "Fördern und Fordern" sowie das Gerede vom "Humankapital" eine neue Dimension: Armut, Ausbeutung und Abhängigkeiten erscheinen nicht als unmittelbare Effekte eines auf Konkurrenz und Profit basierenden Wirtschaftssystems, sondern als eigene Defizite der betroffenen Menschen, die mit etwas mehr "Qualifikation" sich aus ihrer Misere herausarbeiten könnten.
Die Suggestivfrage des GES blendet (bewusst?) Zusammenhänge zwischen Profit und Armut aus, obwohl diese im globalen Zusammenhang klar erkennbar sind und es sich dabei auch nicht gerade um eine neue Erkenntnis handelt. Den "hochrangigen Experten" aus Politik und Wirtschaft, mit denen das GES prahlt, wird durchaus klar sein, dass sich das Konkurrenzprinzip durch eine weltweit gesteigerte Qualifikation der lohnabhängigen Massen nicht mildern lässt, sondern noch vielmehr intensiviert wird. Es gibt keinen marktwirtschaftlich plausiblen Grund, weshalb Privilegien, die durch Besitztum an Produktionsmitteln, Handelsabkommen, Erbrecht, Patente, Subventionsregeln etc. abgesichert sind, durch ein gesteigertes "Qualifikationsniveau" der ArbeitnehmerInnen abgebaut werden sollten. Das Anliegen des GES ist in diesem Fall ein klar ideologisches: Die Möglichkeit der Bekämpfung von Armut an die Wand malen (wie dies schon so unzählige Male von ähnlichen Wirtschaftsgipfeln getan wurde, ohne das sich irgendwas strukturell zum Besseren geändert hätte), ohne dabei systemrelevante Fragen wie die nach Umverteilung, dem Unterbinden von Ausbeutung im Zuge von Profitmaximierung, einer Ökonomie jenseits des Wachstumszwanges, demokratischer Kontrolle der Wirtschaftsleistung etc. zu stellen. Mehr noch: das Prinzip des Rattenrennens wird sogar noch auf die Spitze getrieben; der Zugriff auf ein Heer ausgebildeter ArbeitnehmerInnen verstärkt die Logik des Standortnationalismus, unter der unsichere Arbeitsverhältnisse, Privatisierung öffentlicher „Dienstleistungen“ (wie etwa Bildung) und Sozialabbau ideologisch verklärt werden. An diesem Abend wollen wir gemeinsam mit der GES –in der Alten Meierei diese Sichtweise auf die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitische Agenda des diesjährigen GES in Plön diskutieren.